Ich möchte in der Diskussion um diesen Schulentwicklungsplan für die allgemeinbildenden Allgemeinen Schulen im Altkreis Wetzlar inhaltlich deutlich andere Akzente als mein Vorredner setzen. Es wird Zeit, sich mit den tatsächlichen Bedingungen in unserem Landkreis zu beschäftigen, die dieser Schulentwicklungsplan auch enthält und berücksichtigt.

 

Wer will, dass mehr Schüler und Schülerinnen in unserem Landkreis Abitur machen, der muss auch dafür sorgen! Durch eine neue gymnasiale Oberstufe an der Bebelschule in Wetzlar haben mehr Schüler und Schülerinnen die Chance Abitur zu machen. Der Lahn-Dill-Kreis liegt bei der Abiturientenquote deutlich unter dem Landesdurchschnitt – aber nicht, weil unsere Schüler dümmer sind, sondern weil längst noch nicht alle die Chance haben, stringent zum Abitur zu kommen. Hier haben wir deutlichen Nachholbedarf und das muss sich selbstverständlich im Schulentwicklungsplan niederschlagen. Es gibt genügend Schüler, die im großen System an der Goetheschule untergehen. Die Bebelschule hat auch viele Schüler mit Migrationhintergrund. Hier wird schon hervorragende Integrationsarbeit geleistet – u.a. mit dem stabilen und pädagogisch durchdachten Ganztagesangebot. Diese Schülerschaft müssen wir direkt ins Oberstufensystem weiterführen und ihnen eine weitere Bildungschance geben. 

Jeder Schüler, der uns hier nicht von der Fahne geht, ist das beste Beispiel für gelungene Integration.

Eine Oberstufe an der Bebelschule bedeutet keinerlei Gefahr für das breit gefächerte und gute Angebot an der Goetheschule.  Wer Schulvielfalt will, kann nicht gegen eine Oberstufe an der Bebelschule sein! Deshalb ist es nicht nachvollziehbar, dass die CDU-Kreistagsfraktion  dieses Angebot hier nicht mitträgt. „.. Vielfalt fördern! ... Schüler lassen sich nicht vereinheitlichen.“ –  Das könnte ein Satz von mir sein. Aber das hat der Vorsitzende der CDU-Kreistagsfraktion Hans-Jürgen Irmer  am  30. Oktober 2010  öffentlich gefordert. Vor 1 ½  Wochen! Die Forderungen sind ganz aktuell und nicht verjährt. Warum lassen Sie Ihren Worten nicht Taten folgen, Herr Irmer? Warum torpedieren Sie den Elternwillen einer gesamten Schulgemeinde?Kommen Sie mir nicht mit dem Verweis auf die Zusammenarbeit mit der Siemens-Schule! Diese Zusammenarbeit findet sowieso schon statt und lässt sich auch nicht unter dem Stichwort MINT zusammenfassen. Die Einrichtung einer MINT-Oberstufe erfordert selbstverständlich auch ein entsprechendes MINT-Profil in der Sekundarstufe I. Und das ist bisher noch gar nicht vorhanden! Sagen Sie mir nicht, dass die Bebelschule für die Oberstufe neue Räume braucht. Das stimmt nicht!“ Aber Fachräume könnten gemeinsam mit der Siemens-Schule genutzt werden. Das sind Synergieeffekte, die wir doch alle wollen! Die Bebelschule hat ihr Anliegen in der Anhörung im Fachausschuss am 26. Februar 2010 sehr fundiert vertreten und uns von der SPD-Kreistagsfraktion überzeugt! Soll mir keiner sagen, die anderen Gesamtschulen wollen auch Oberstufen. Diese Schreiben erreichten uns Kreistagsabgeordnete im Nachgang unter dem Motto: Wenn die Bebelschule eine Oberstufe bekommt, dann wollen wir auch eine. Allein schülerzahlenmäßig, von den Lehrerstellen und vom Raumbedarf her ist das gar nicht realisierbar.

Wir von der SPD sagen klar und deutlich: Die Goetheschule als gymnasiale Oberstufenschule und die Stein-Schule als Mittelstufengymnasium bleiben eigenständig! Beide Schulgemeinden haben in der Anhörung am 22. Februar diese Position vertreten und auf  ihre enge Zusammenarbeit verwiesen. Es gab erhebliche Bedenken gegen ein grundständiges Gymnasium mit der Steinschule auf dem Gelände der Goetheschule. Man sprach sich gegen ein großes System aus.        Ja, man hatte vielleicht sogar begründete Angst, dass die jüngeren Schüler dem großen Oberstufensystem hilflos gegenüber stehen. Die Steinschule als eigenständiges grundständiges Gymnasium mit Oberstufe in direkter Nachbarschaft  zur Goetheschule wurde nie diskutiert und ist auch angesichts der räumlichen Nähe beider Schulen keine realistische Option.

Ein Neubau der Steinschule auf dem Gelände der Goetheschule würde 10 Millionen Euro mehr kosten als bisher veranschlagt sind. Und diese 10 Millionen Euro mehr können unser Landkreis und unsere Kommunen nicht schultern! Die Probleme, die durch die Zusammenführung von Schülern mit G8 und G9-Erfahrung jetzt an der Goetheschule entstehen – die müssen pädagogisch gelöst werden.              Das ist Aufgabe der inneren Schulorganisation. das muss das Land Hessen durch zusätzliche Lehrerstellen und mehr Förderung lösen.

Wer G8  so schnell ins Gesetz gegossen hat, darf die Schüler und Eltern mit den Problemen nicht allein lassen. Es ist ja noch immer so, dass Schüler, die ein G8-Gymnasium nach der Mittelstufe verlassen, keinen Realschulabschluss haben. Wer solche Ungereimtheiten produziert, hat seine pädagogischen Hausaufgaben nicht erledigt und muss endlich entsprechend gesetzlich nachbessern! Diese Probleme kann man nicht beim Schulträger abladen!

Der hier vorliegende Schulentwicklungsplan enthält auch unbequeme Lösungen! Die Zusammenführung der Eichendorff-Schule und der Kestnerschule ist eine Option, die den zurück gehenden Schülerzahlen und den strikten Haushaltsauflagen unseres Landkreises geschuldet ist. Die Kestnerschule hatte einmal fast 1000 Schüler, heute sind wir bei ungefähr 430 Schülern. Wenn die Entwicklung so weitergeht, sind wir demnächst bei 200. Und das hat nichts mit schlechter pädagogischer Arbeit an der Kestnerschule zu tun. Ganz im Gegenteil! Ich war mit meiner Fraktion vor Ort und habe mich selbstverständlich informiert, wie fundiert das Praxiskonzept dieser Schule für die Haupt- und Realschüler ist. Was meine Kollegen und Kolleginnen dort leisten, das ist beispielhaft! Es spricht nichts dagegen, dass diese Praxisorientierung auch weiterhin stattfinden kann.

Die Entwicklung der Schülerzahlen an der Kestnerschule steht in direktem Zusammenhang mit der hessischen Schulpolitik! Die Kestnerschule wurde kooperative Gesamtschule in direkter Nachbarschaft zum Mittelstufengymnasium Stein-Schule! Mahnende Worte wurden von der damaligen Schulleitung nicht gehört! Wer sein Kind im Gymnasialzweig verankern wollte, wählte damals direkt das Mittelstufengymnasium Steinschule. Bis Kultusminister Banzer G 9 an den kooperativen Gesamtschulen verankert hatte, war der Gymnasialzweig an der Kestnerschule schon so ausgedünnt, dass die Überlebenschancen gering waren. Die Zahlen zeigen, dass in dieser Hinsicht auch keine Änderung zu erwarten ist.

Man versprach der Kestnerschule zusätzliche Lehrerstellen und  4 Schulsozialarbeiter! Angekommen ist eine Lehrerstelle mehr – und das war’s dann!

Jetzt soll mir keiner sagen, der Schuldezernent habe einen Antrag nicht weitergeleitet. Die entsprechenden Unterlagen, die von Herrn Wegricht heute vorgelegt wurden, zeigen, dass dieser  ungeheuerliche Vorwurf der CDU unhaltbar ist. Wer im schwarzen Bus nach Wiesbaden fährt, vollmundige Versprechen macht und sie dann nicht einlöst, der muss sich an die eigene Nase fassen. Sie haben diese Schule im Regen stehen lassen – und sonst niemand!

Unter Schulfachleuten ist längst kein Geheimnis mehr, dass die Eichendorffschule auf dem Weg zum „Realgymnasium“ war. Eine Schuleform, die es im Hessischen Schulgesetz übrigens überhaupt nicht gibt. Bedeutet: Man verwies die Eltern von Hauptschülern sehr gerne direkt an die Kestnerschule!

Frau Kornmann von der FDP sagt immer: Wir müssen auch etwas für die Hauptschüler tun! Ganz genau! Das ist mit der Weiterführung des Praxisorientierten Lernens an der Kestnerschule überhaupt kein Problem.

Ich zitierte:

„Die beiden Gesamtschulen Eichendorffschule und Kestnerschule haben unterschiedliche Profile entwickelt. Während die Kestnerschule in enger Abstimmung mit der IHK und der Kreishandwerkerschaft einen besonderen Schwerpunkt für Haupt- und Realschüler  mit dem Profil „Praxisorientiertes Lernen“ vorangetrieben  hat, hat sich in der Eichendorffschule aufgrund des G9-Angebotes der gymnasiale Zweig stark verbreitert. Während in der Kestnerschule die räumliche Situation durch gute Bausubstanz, eine moderne Turnhalle und Raumreserven gekennzeichnet ist, ist die Eichendorffschule in großen Teilen ihres Schulgebäudes stark sanierungsbedürftig und steht derzeit an der Grenze ihrer Raumkapazität.“ .... „ Die Stadt Wetzlar befürwortet, dass die Eichendorffschule und die Kestnerschule eine gemeinsame Kooperative Gesamtschule an den bisherigen Standorten in Dalheim und an der Bergstraße bilden.“ Genau das ist unsere Meinung! Und genau das hat die Stadt Wetzlar in ihrer Stellungnahme zum Schulentwicklungsplan geschrieben.

Was macht nun der Vorsitzende der größten Oppositionspartei in unserem Landkreis?

Er spricht von einem Durchpeitschen des Schulentwicklungsplanes! Dieser Schulentwicklungsplan ist in allen notwendigen Gremien fundiert und ausführlich diskutiert und beraten worden. Genau seit einem Jahr!

Es gab drei Sondersitzungen mit Einzel-Anhörungen der betroffen Schulen. Die erste Anhörung fand am 22. Februar 2010 statt. Von Februar bis November – wenn das nicht ausreicht! Und  es gab auch noch  auf inoffizieller Ebene Gespräche zwischen den Fraktionen!

Was macht der Vorsitzende der größten Oppositionspartei noch?

Er reist an alle Schulen, die von Änderungen im Schulentwicklungsplan betroffen sind und verspricht den Eltern: Wenn ihr uns wählt, bleibt nach der Kommunalwahl alles beim Alten.

Die Eichendorffschule bleibt am Standort Dalheim (Das bleibt sie sowieso! Später vielleicht nur einem kleineren, aber grundsanierten Gebäude!), die Kestnerschule bleibt mit 200 Schülern in einem Gebäude für 1000 Schüler. Die Steinschule bauen wir auf dem Gelände der Goetheschule neu. Dass das 10 Millionen Euro mehr kostet, sagt er natürlich nicht.

Dass die Komplettsanierung der Eichendorffschule ebenfalls mindestens 10 Millionen Euro kosten wird, sagt er auch nicht. Summa summarum: Er gibt auf die Schnelle mal eben 20 Millionen Euro mehr aus, sagt aber nicht, wo er sie her nimmt! Von den erhöhten Kosten für die Schulbauunterhaltung spricht er lieber erst gar nicht. Und mit diesen Rechenkünsten lässt er die Erkschule dann schnell mal eben ins Gebäude der Steinschule ziehen.

Ein solches Schulkonzept fußt auf reinem Populismus direkt vor der Kommunalwahl. Es trägt nicht, verunsichert Eltern und Schüler und es hat mit Ehrlichkeit schon gar nichts zu tun. Wer eben mal schnell 20 Millionen Euro mehr ausgeben will und in Wiesbaden dafür stimmt, dass den Kommunen und Landkreisen jährlich 360 Millionen Euro im Kommunalen Finanzausgleich gekürzt werden – der steht nicht für solide Finanz- und Schulpolitik! Der hat in den letzten Jahren mit den Regierungsbeschlüssen mit

dafür gesorgt, dass die hessischen Landkreise die am schlechtesten finanzierten Landkreise in ganz Deutschland sind. Dem sollte man den schulpolitischen Populismus nicht glauben!!! Dessen Konzept sollte man finanzpolitisch äußerst kritisch hinterfragen und dann ganz klar ablehnen!!!